Lymphödem - Tipps für die Kompressionstherapie

Lymphödem- Tipps für die Kompressionstherapie

Ein Lymphödem ist eine chronische Erkrankung, bei der sich Flüssigkeit im Gewebe staut und zu Schwellungen führt – meist an Armen oder Beinen. Die Kompressionstherapie ist ein zentraler Baustein der Behandlung und hilft, die Schwellung zu reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie die Kompressionstherapie im Alltag optimal umsetzen können – von passenden Hilfsmitteln bis hin zu wichtigen Routinen. So gewinnen Sie mehr Lebensqualität und Kontrolle im Umgang mit dem Lymphödem.

 

 

Das Wichtigste im Überblick

 

Ursache und Formen: Ein Lymphödem entsteht durch eine gestörte Funktion des Lymphsystems – angeboren (primär) oder erworben (sekundär, z.B. nach Operationen oder Bestrahlung).

Symptome und Stadien: Typische Anzeichen sind Schwellungen, Spannungsgefühl und Hautveränderungen. Die Erkrankung verläuft in vier Stadien, von latent bis schwer ausgeprägt (Elephantiasis).

Therapie: Die wichtigste Behandlung ist die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) mit Lymphdrainage, Kompression, Hautpflege, Bewegung und Selbstmanagement.

Vorbeugung und Selbsthilfe: Ein gesunder Lebensstil, gezielte Hautpflege und frühzeitige Maßnahmen (z.B. Kompression und MLD) können beim sekundären Lymphödem helfen, Beschwerden zu vermeiden oder zu lindern.

 

Inhaltsverzeichnis:

 

1. Was ist ein Lymphödem?

2. Was ist die Ursache eines Lymphödem?

3. Was sind typische Symptome bei einem Lymphödem?

4. Wie wird ein Lymphödem behandelt?

5. Kann man ein Lymphödem vorbeugen?

 

 

Was ist ein Lymphödem?

 

Unser Körper verfügt über zwei Gefäßsysteme: das Blut- und das Lymphgefäßsystem. Während das Blutgefäßsystem Nährstoffe, Sauerstoff und andere wichtige Substanzen über das Blutplasma zu den Organen transportiert, sorgt das Lymphsystem dafür, dass überschüssige Gewebeflüssigkeit – die sogenannte Lymphe – wieder aus dem Gewebe abgeleitet wird.

Diese Lymphe entsteht, wenn Flüssigkeit aus den feinsten Blutgefäßen in die Zellzwischenräume austritt, um das umliegende Gewebe zu versorgen. Das Lymphsystem, bestehend aus Lymphgefäßen und lymphatischen Organen wie Lymphknoten, Milz, Knochenmark und Mandeln, transportiert die Lymphe zu den Lymphknoten, wo sie gefiltert wird. Anschließend gelangt sie über größere Lymphgefäße zurück in den Blutkreislauf.

Neben dem Abtransport überschüssiger Flüssigkeit erfüllt das Lymphsystem wichtige Aufgaben im Immunsystem und beim Abbau von Zellabfällen, Eiweißen, Giften und Fetten.

Ein Lymphödem entsteht, wenn das Lymphsystem gestört ist und die Lymphflüssigkeit nicht ausreichend abfließen kann. Die Folge ist eine sichtbare Schwellung, meist an Armen oder Beinen, durch die Ansammlung von Flüssigkeit im Gewebe. Ohne Behandlung kann dies zu Gewebeschäden, Entzündungen oder chronischen Hautveränderungen führen. Das Lymphödem ist eine chronische Erkrankung, die je nach Schweregrad in vier Stadien eingeteilt wird.

 

 

 

Was ist die Ursache eines Lymphödem?

Ein Lymphödem entsteht, wenn das Lymphsystem nicht mehr in der Lage ist, die Lymphflüssigkeit ausreichend abzutransportieren. In der Folge staut sich die Flüssigkeit im Gewebe, was zu einer sichtbaren Schwellung (Ödem) führt – meist an Armen oder Beinen, aber auch andere Körperregionen können betroffen sein.

Grundsätzlich werden zwei Formen unterschieden:

Primäres Lymphödem – angeborene Ursache

Diese seltene Form (etwa 1 von 100.000 Menschen) ist erblich bedingt. Dabei liegt eine Fehl- oder Unterentwicklung der Lymphgefäße oder Lymphknoten vor, etwa:

     - fehlende oder zu wenige Lymphgefäße (Aplasie, Hypoplasie),

     -übermäßig erweiterte Lymphgefäße (Hyperplasie),

     -verhärtete oder fehlende Lymphknoten (Fibrose, Agnesie).

Die Symptome können direkt nach der Geburt, aber auch erst im Jugend- oder Erwachsenenalter auftreten – meist sind die Beine betroffen. Primäre Lymphödeme können auch Teil genetischer Syndrome wie dem Klippel-Trénaunay-Syndrom sein.

 

 

Sekundäres Lymphödem – erworbene Ursache

Diese deutlich häufigere Form (etwa 95% der Fälle) entsteht durch äußere Einflüsse, die das Lymphsystem schädigen, etwa:

    -Operationen (z.B. Entfernung von Lymphknoten),

    -Strahlentherapie im Rahmen einer Krebsbehandlung,

    -Infektionen, Entzündungen (z.B. Wundrose/Erysipel),

    -Verletzungen oder Tumorerkrankungen.

Ein häufiges Beispiel ist die vorsorgliche Entfernung von Lymphknoten bei Krebspatienten, wodurch der natürliche Lymphabfluss gestört wird. Wenn das restliche Lymphsystem diesen Ausfall nicht kompensieren kann, sammelt sich Lymphe im Gewebe an und führt zum Lymphödem.

 

 

 

Was sind typische Symptome bei einem Lymphödem?

 

Ein Lymphödem entwickelt sich schleichend und zeigt sich durch verschiedene Anzeichen, die frühzeitig erkannt werden sollten, um Komplikationen zu vermeiden. Die häufigsten Symptome sind:

 

- Schwellung: Meist einseitig und asymmetrisch, oft an Armen oder Beinen. Die Schwellung beginnt oft dezent und nimmt im Verlauf zu.

- Schwere- und Spannungsgefühl: Betroffene spüren oft ein Druckgefühl oder eine ungewöhnliche Schwere, besonders nach Belastung.

- Hautveränderungen: Die Haut kann verdickt, verhärtet, knotig oder leicht verfärbt erscheinen. Sie reagiert empfindlicher auf Reizungen und neigt zu Entzündungen.

- Stemmer’sches Zeichen: Ist die Hautfalte über dem Zehen- oder Fingerrücken schwer oder gar nicht anhebbar, spricht man von einem positiven Stemmer’schen Zeichen – ein typischer Hinweis auf ein Lymphödem.

 

 

Die vier Stadien eines Lymphödems:

Stadium 0 – Latentes Stadium:

Das Lymphsystem ist bereits geschädigt, aber es kommt noch zu keiner sichtbaren Schwellung. Erste Anzeichen können ein Schweregefühl und schnelle Ermüdung der betroffenen Extremität sein.

Stadium I – Reversibles Ödem:

Eine sichtbare, weiche Schwellung ist vorhanden, die sich durch Hochlagern oder über Nacht wieder zurückbildet. Beim Druck auf das Gewebe bleibt eine Delle zurück.

Stadium II – Spontan irreversibles Ödem:

Die Schwellung bleibt dauerhaft bestehen, das Gewebe verhärtet sich. Eine Druckdelle ist nicht mehr erkennbar, und Hochlagern bringt keine Besserung. Die Haut kann schmerzhaft gespannt sein.

Stadium III – Elephantiasis:

In diesem fortgeschrittenen Stadium ist die betroffene Gliedmaße massiv angeschwollen, die Beweglichkeit stark eingeschränkt. Die Haut ist deutlich verdickt, vernarbt und neigt zu schlecht heilenden Wunden und Infektionen wie Wundrosen (Erysipel).

 

Frühwarnzeichen ernst nehmen:

Ein dauerhaft geschwollenes Bein oder ein Arm sollte immer ärztlich abgeklärt werden – besonders wenn folgende Hinweise auftreten:

     - einseitige, fortschreitende Schwellung

     - Verhärtung der Haut über längere Zeit

     - Veränderungen an Fuß- oder Handrücken

     - Vertiefung der Hautfalten an Gelenken

     - positives Stemmer’sches Zeichen

Je früher ein Lymphödem erkannt und behandelt wird, desto besser lässt sich der Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.


Wie wird ein Lymphödem behandelt?

 

Ein Lymphödem ist eine chronische Erkrankung, die sich ohne Behandlung verschlimmern kann. Zwar ist sie nicht heilbar, aber durch konsequente und frühzeitige Therapie lassen sich die Beschwerden deutlich lindern. Die Behandlung orientiert sich dabei an der Ausprägung des Ödems sowie an der Mitarbeit der Patienten.

Behandlungsziele:

  ✅Reduktion der Schwellung (Entstauung)

  ✅Erhalt des Therapieerfolgs

  ✅Verbesserung der Lebensqualität und Mobilität

  ✅Vermeidung von Komplikationen wie Entzündungen oder Wunden

 

Therapieform: Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE)

Die KPE ist der Goldstandard in der Lymphödem-Behandlung und basiert auf fünf aufeinander abgestimmten Säulen:

  1. Manuelle Lymphdrainage (MLD):
    Eine sanfte Massagetechnik durch spezialisierte Therapeuten, die den Lymphfluss anregt und überschüssige Flüssigkeit im Gewebe abtransportiert. Sie wirkt nicht nur lokal, sondern systemisch auf das Lymphsystem.

  2. Kompressionstherapie:
    Nach jeder Lymphdrainage wird ein Kompressionsverband angelegt, der die Entstauung unterstützt und das erneute Anschwellen verhindert. In der Erhaltungsphase werden maßgefertigte, flechgestrickte Kompressionsstrümpfe getragen - tagsüber und teils auch nachts. 

  3. Hautpflege und Hygiene:
    Da die Haut bei Lymphödemen besonders empfindlich ist, ist eine tägliche, intensive Pflege nötig. Spezielle Produkte beugen Trockenheit, Juckreiz und Infektionen vor und erhalten die Hautbarriere.

  4. Bewegung und Sport:
    Bewegung ist essenziell für einen guten Lymphfluss. Besonders wirksam sind gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen oder Aquagymnastik, vorzugsweise in Kombination mit Kompression. Bewegung sollte direkt nach der MLD erfolgen.

  5. Schulung und Selbstmanagement:
    Patienten werden umfassend über ihre Erkrankung und die Therapieoptionen informiert. Eigenverantwortung im Alltag – z.B. konsequentes Tragen der Kompression ist zentral für den langfristigen Behandlungserfolg.

 

Behandlungsverlauf: Zwei Phasen

 

1. Intensivphase:

- Regelmäßige ambulante Lymphdrainage (täglich oder jeden zweiten Tag)

- Anlegen und Erneuern von Kompressionsbandagen

- Umfangmessung, Ödembewertung und Planung durch spezialisierte Therapeuten

2. Erhaltungsphase:

- Selbstständige Weiterführung der Therapie durch Tragen von Kompressionsstrümpfen

- Regelmäßige Bewegung zur Unterstützung des Lymphabflusses

- Ggf. erneute Intensivphase bei Bedarf

- Dauer und Maßnahmen werden individuell angepasst

 

Weitere therapeutische Möglichkeiten

Maschinelle Lymphdrainage:
In schweren Fällen kommt eine apparative Unterstützung zum Einsatz. Hierbei fördern aufblasbare Manschetten durch rhythmischen Druck den Lymphabfluss Richtung Bauch- und Brustraum.

Physiotherapie allgemein:
Die Behandlung erfolgt unabhängig vom Ursprung des Lymphödems (primär oder sekundär) meist ambulant in spezialisierten Praxen oder Kliniken. Neben dem Ödem werden auch Begleitsymptome wie Bewegungseinschränkungen, Schmerzen oder Kraftverlust berücksichtigt.

 

 

Kann man ein Lymphödem vorbeugen?

 

Ein primäres Lymphödem, das aufgrund angeborener Fehlbildungen der Lymphgefäße entsteht, lässt sich nicht aktiv verhindern. Allerdings können Menschen mit familiärer Veranlagung ihr Risiko senken, indem sie bekannte belastende Faktoren wie Übergewicht vermeiden und auf einen gesunden Lebensstil achten.

Beim sekundären Lymphödem, das z.B. durch Operationen, Bestrahlung oder Krebsbehandlungen entstehen kann, insbesondere bei Brustkrebspatientinnen, sind gezielte Präventionsmaßnahmen besonders wichtig.

Wichtige Maßnahmen zur Vorbeugung und Unterstützung des Lymphsystems

1. Gesunder Lebensstil

- Ausgewogene Ernährung mit wenig Salz zur Vermeidung von Wassereinlagerungen

- Regelmäßige Bewegung, um den Lymphfluss anzuregen

- Normalgewicht halten, um die Lymphgefäße nicht zusätzlich zu belasten

 

2. Hautpflege & Schutz

- Tägliche Hautpflege, um Infektionen und Wundheilungsstörungen vorzubeugen

- Verletzungen vermeiden, da sie Entzündungen und Ödeme begünstigen können

 

3. Thermische & physische Belastungen vermeiden

- Keine langen Sonnenbäder, Saunagänge oder heiße Bäder

- Extreme Kälte und starker Stress meiden – beides wirkt gefäßverengend

- Langes Sitzen oder Stehen vermeiden – stattdessen regelmäßige Entlastung durch Hochlagern der Extremitäten

 

4. Spezifische Maßnahmen bei Risikopatienten (z.B. nach Krebsbehandlungen)

- Früher Einsatz von Manueller Lymphdrainage (MLD) – auch vorbeugend nach Operationen oder Bestrahlung

- Kombination aus Lymphdrainage und Kompressionstherapie (KPE) zur Unterstützung der Lymphwege

- Zweimal jährlich prophylaktische Lymphdrainagen, auch ohne sichtbares Ödem, zur Stabilisierung des Lymphsystems

 

5. Kompression & Selbstmanagement

  • Tragen von Kompressionsstrümpfen oder -ärmeln (tagsüber, ggf. leichtere Varianten nachts)
  • Selbstbandagierung bei stärkerer Schwellung oder zur Nacht
  • Hochlagerung der betroffenen Gliedmaßen, vor allem nachts

Ein Lymphödem kann insbesondere in der sekundären Form durch frühzeitige Prävention und Eigenverantwortung positiv beeinflusst werden. Zwar lässt sich ein primäres Lymphödem nicht verhindern, aber ein bewusster Lebensstil, regelmäßige Kontrollmaßnahmen und fachgerechte Behandlungen können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und Folgeprobleme reduzieren.

 

 

 

Fazit 

 

Ein Lymphödem ist eine chronische Erkrankung, die frühzeitige und konsequente Therapie erfordert. Die Kombination aus manueller Lymphdrainage, Kompression, Bewegung, Hautpflege und Selbstmanagement ist essenziell, um Schwellungen zu reduzieren und Lebensqualität zu verbessern. Besonders beim sekundären Lymphödem können präventive Maßnahmen und Eigenverantwortung den Verlauf positiv beeinflussen. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Patient, Arzt und Therapeut ist dabei entscheidend.